Arbeitsplatz Schloss


Menschen aus Deutschland und aller Welt erzählen von ihrer Arbeit auf den Sieben Schlössern

Hameln, Juli 2018 -Schlösser hatten einst ganze Scharen von Bediensteten. Die sorgten nicht nur dafür, dass die adligen Herrschaften in trockenen, warmen und aufgeräumten Gemächern residieren konnten. Sie trugen auch entscheidend zum Erhalt dieser einzigartigen Bauten bei. Auch so konnten diese alle Zeitenwenden überstehen und bis heute Millionen Besucher erfreuen.

Doch wie sieht die Arbeit auf dem Schloss im 21. Jahrhundert aus? Haben Industrialisierung und Digitalisierung daran entscheidend etwas geändert? Wie wird ein Schloss heute geführt? Wer arbeitet dort und welche Aufgaben haben diese Menschen heute? Wir haben dafür einmal hinter die Kulissen geschaut: Zum ersten Mal geben Menschen von sieben sehr unterschiedlichen Schlössern einen exklusiven Einblick in ihre Arbeitsplätze und darin, was das Arbeiten auf einem Schloss für sie bedeutet.

Der Hüter der Geschichte:
Burkhart von Reden, Archivar auf Schloss Hämelschenburg

Während andere sich mit Mitte 60 zur Ruhe setzen und sich entweder langweilen oder ihre Welt völlig auf den Kopf stellen, hat Burkhart von Reden ganz anderes im Sinn. Der 75-Jährige ist der Archivar des Schlosses Hämelschenburg, und er möchte dieses besondere Ehrenamt ausführen, so lange es nur geht.

Der Historiker und Buchhändler kennt das Rittergut seit seiner Kindheit. Hier verbrachte er viele Ferien und spielte zusammen mit dem heutigen Schlossherrn, Lippold von Klencke. Dank seiner Herkunft und einer sehr engagierten Deutsch­lehrerin hatte er schon immer ein großes Interesse an Archiven. Doch reichte das Geld seiner Eltern nach dem Krieg nicht für ein Archivstudium. Als er dann Germanistik, Geschichte und Historische Hilfswissenschaften studierte, wurde ihm dennoch alles beigebracht, was man über Archive wissen musste. Lippolds Mutter, Viktoria von Klencke fragte ihn 1973, „ob ich nicht einmal hauptamtlich die Schlossbibliothek katalogisieren und das Archiv auf Vordermann bringen könnte“, erzählt von Reden. „Damals waren Aktenbündel übereinander gestapelt und irgendwie in Fächer gestopft. Durch einen Brand 1544 und mehrere Umbauten des Schlosses war hier alles durcheinander gekommen. Manches war auch feucht geworden und schimmelte.“

Er stürzte sich mit Freuden in diese Arbeit. Zunächst musste er sämtliche Akten sichten und dann ordnen, was gar nicht so einfach war, wie er sagt: „Es gab viele individuelle Schreibstile, manche Chronisten hatten eine regelrechte Klaue!“ Doch ihm kam zugute, dass er während seines Studiums beim stellvertretenden Direktor des Staatsarchivs Wolfenbüttel alte Schriften lesen gelernt hatte.

Viele Akten von Hämelschenburg sind dem Brand im Mittelalter zum Opfer gefallen, andere während der Plünderungen im siebenjährigen Krieg verschwunden. Und manche Generation interessierte sich nicht groß für die Geschichte des Hauses und warf weg, was bei einem Wasserschaden aufgeweicht war. Doch von Reden lässt sich davon nicht unterkriegen: „Es ist eine ausgesprochen faszinierende und erfreuliche Tätigkeit. Ich kann den Schlossherrn mit Daten und Fakten für seine Vorträge versorgen oder die Schlossführungen mit interessanten Anekdoten anreichern. Manche Räuberpistole kann ich sogar anhand der Akten widerlegen. Selbst bei Unklarheiten über Wegeführung oder -Instandhaltung kann ich aufgrund der Akten nachweisen, wo die Zuständigkeiten liegen, oder der Denkmalbehörde über vergangene Vorkommnisse Auskunft geben. Und Funde von alten Kochrezepten führten zur Herausgabe eines Hämelschenburger Kochbuches für den Museumsshop.“

So ist sein Beruf kein verstaubter, sondern einer von hoher Relevanz für das Heute. Besonders wichtig war ihm persönlich eine Erkenntnis: „Die alten Briefe und Aufzeichnungen zeigen mir, dass es den Menschen damals sehr viel schlechter ging als uns. Wir jammern heute auf einem sehr hohen Niveau.“ Und weil von Reden weiterhin dabei ist, die alten Akten zu ordnen und zu erhalten, werden auch die nachfolgenden Generationen noch vieles über die Geschichte und für ihr Leben lernen können.

Auf der Suche nach der Geschichte:
Jana Hamid, Archäologin auf dem Weserrenaissance Schloss Bevern

Sie studierte vorderasiatische Archäologie und stand kurz vor dem Abschluss ihrer Magistra, als Bomben nicht nur ihre Heimatstadt, das syrische Aleppo, sondern auch ihre Universität trafen und viele ihrer Freunde ums Leben kamen. Jana Hamid war die letzte aus ihrer Familie, die noch in der Stadt ausharrte. Doch dann musste sie alles hinter sich lassen, was ihr noch etwas bedeutet hatte.

Deutschland hatte ihr schon früh imponiert, sagt sie: „Es ist ein Wunder, wie die Menschen hier nach dem Krieg ihr Land wieder so erfolgreich aufgebaut haben.“ Und als ihre Flucht schließlich in Holzminden ein Ende fand, lernte sie in kürzester Zeit nicht nur die deutsche Sprache, sondern stieg so schnell wie nur möglich wieder ein in ihr Fachgebiet, die Archäologie. Auf dem Weserrenaissance Schloss Bevern fand sie einen neuen Ankerpunkt. „Ich fühle mich hier sehr, sehr wohl. Und dass ich auch noch als Archäologin arbeiten kann, ist einfach toll.“

Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in der Kreisarchäologie des Landkreises Holzminden hat die 28-Jährige Anfang 2018 eine freigewordene Stelle übernehmen können. Dass sie noch dazu auf einem Schloss arbeitet, beglückt sie: „Dieses Schloss hat so viel erlebt. In meinem Beruf in einem so alten Gemäuer mit so schönen Fassaden jetzt mit Funden aus alter Zeit arbeiten zu dürfen, ist perfekt. Ich fühle mich im Schloss richtig zu Hause und komme jeden Tag wieder total gerne hierher.“

Doch Hamid ist auch viel unterwegs, denn ihr Job ist es nun, fernab ihrer ursprünglichen Heimat, die Geschichte des Landkreises zu finden und aufzuar­beiten. Momentan gräbt sie mitten in Holzminden mit einer Gruppe ehrenamtlicher Helfer Funde aus dem 17. und 18. Jahrhundert aus, bevor dort etwas Neues gebaut wird. „Die Vergangenheit ist Teil der Identität eines Volkes“, sagt sie „Ohne die zu kennen, kann man doch nicht leben. Wenn ich hier nicht grabe, dann geht dieser Teil unserer Geschichte und unserer Kultur für immer verloren. Dann wird niemand mehr wissen, was hier einmal geschah und was wir heute daraus lernen können.“

Ja, sie sagt „wir“ und „unsere Geschichte und Kultur“. Denn Jana Hamid ist angekommen. „Es ist nicht immer leicht als Frau in der Archäologie, aber wir sind hier ein tolles Team, im Schloss und bei der Grabung.“ Und auch wenn der Traum, ihre Magistra noch machen zu können, nicht ausgeträumt ist, will sie auf jeden Fall in der Kreisarchäologie und im Schloss bleiben. Noch einmal neu anzufangen, noch ein Zuhause aufzugeben, erst recht ein so schönes – das kann und will sie sich gar nicht vorstellen.

Er kennt jeden Winkel:
Martin Riechert, Gebäudemanager auf Schloss Marienburg

Als 2017 der Ernst August Erbprinz von Hannover auf Schloss Marienburg heiratete, hat das Martin Riechert sowohl Bauchschmerzen als auch großen Stolz bereitet. Der gelernte Landwirt, dessen Vater bereits in der Verwaltung für das Haus Hannover tätig war, feierte gerade sein 30-jähriges Jubiläum und konnte nun seine ganze Erfahrung in dieses einzigartige Event einbringen.

„Meine Aufgabe ist es, alles zu überwachen, was mit den Schlossgebäuden zu tun hat. Ich kontrolliere die Gebäude, koordiniere Maßnahmen mit der Denkmalpflege, hole Angebote ein, organisiere Handwerker, überwache den Umgang mit dem Inventar und den Kunstgegenständen bei Renovierungen und Restaurierungen.“ Und manchmal packt er auch selbst mit an. Denn so ganz Schreibtischmensch möchte der Praktiker nicht werden.

Nach drei Jahrzehnten auf dem Welfenschloss ist es zu einem Teil von ihm geworden. Wenn es besonders stark regnet, macht er sich Sorgen um das riesige Schlossdach. Und es kommt auch schon mal vor, dass er nach einem Sturm an seinem freien Tag zum Schloss fährt und nach dem rechten schaut, Bäume von den Straßen räumen lässt und schaut, ob die Dachziegel noch alle oben liegen. Und wenn einmal größere Maßnahmen anstehen, stimmt er direkt mit dem Erbprinzen alles Nötige ab.

„Natürlich habe ich auch mal Stress“, sagt Riechert, „es ist halt Arbeit. Aber es ist eine einmalige Sache, auf einem Schloss zu arbeiten. Wir sind ein gutes Team, meine Arbeit ist vielfältig, jeder Tag ist anders.“

Auch dann, wenn die Mauern beben, weil im Hof Musik erschallt. Denn Riechert ist auch dann zur Stelle, wenn Konzerte und andere Veranstaltungen auf Schloss Marienburg stattfinden. Oder eben die Hochzeit des Erbprinzen. Riechert musste das Museumsmobiliar ausräumen und einlagern, die Räume für die große Feier vorbereiten, die ganzen Gewerke, die bei einer Hochzeit zusammenkommen, koordinieren und die technische Ausstattung über-wachen. Zwei Notstromaggregate allein fürs Catering hatte er eingeplant. „Man möchte ja an so einem Tag nicht erleben, dass der Strom ausfällt.“ Doch alles ging gut, und die Hochzeit wurde auch für ihn zum unvergesslichen Erlebnis.

Aber er hat auch nichts dagegen, wenn wieder der Alltag mit seinen zahlreichen Aufgaben einkehrt. Die sind nicht nur für das Schloss wichtig, sondern auch für ihn, denn: „Es bedeutet mir sehr viel, dass ich das Schloss gut erhalten und über die Zeit tragen kann.“

Der Schönheit verschrieben:
Dagmar Kleine, Porzellanmalerin auf Schloss Fürstenberg

Als Dagmar Kleine 1971 ihre Lehre zur Industriekeram-Porzellanmalerin auf Schloss Fürstenberg begann, sah es gar nicht danach aus, als würde sie diese Lehre je schaffen, geschweige denn 47 Jahre später immer noch dort arbeiten. Denn sie war Linkshänderin. Ihre Zeichnungen hatten die anderen Maler zwar beeindruckt, aber nun musste sie von einem Tag auf den anderen zur Rechtshänderin werden, denn Arbeitsplätze waren zu jener Zeit noch nicht für die Arbeit mit der linken Hand ausgerüstet.

Jeden Abend übte sie, so lange, bis sie mit der rechten Hand genauso gut zeichnen konnte wie mit der linken. „Heute male ich mit rechts“, sagt sie, „aber die ersten Skizzen zeichne ich immer noch mit links.“ Das schafft man natürlich nicht, wenn man sich irgendeinen x-beliebigen Job an einem x-beliebigen Ort ausgesucht hat. „Mein Beruf ist mehr Berufung“, sagt sie. „Ich male leidenschaftlich gerne, auch nach all den Jahren noch.“ Gerade die Arbeit in der Besucherwerkstatt ist für sie besonders erfüllend. Sie bringt Besuchern die Kunst der Malerei nahe, macht Sonderanfertigungen nach ihren Kundenwünschen und sie leitet Seminare, zu denen Menschen aus aller Welt, von der Schweiz über Amerika bis Japan, kommen. „Ich lerne dabei tolle Menschen kennen, und es ist so inspirierend für mich, dass ich oft nach Feierabend weiter male, bis mein Mann mich fragt, ob ich immer noch nicht die Nase davon voll habe.“ Hat sie nicht. Nie.

Doch es ist nicht nur die Arbeit, die sie nach wie vor begeistert. „Es ist ein so wunderschönes Ambiente, in dem ich arbeiten kann. Wenn ich morgens durchs Museum gehe, wenn noch keine Besucher da sind, kann ich mir in den herrlichen Räumen und beim Blick aus dem Fenster Anregungen für meine tägliche Arbeit holen.“ Auch die Geschichte des Schlosses inspiriert sie. Gerade liest sie die Biografie von Herzogin Philippine Charlotte, genannt Lottine, der Frau des Manufakturgründers.

Dagmar Kleine ist aber auch innerlich so sehr mit ihrer Arbeit und ihrem Arbeitsplatz verwoben, dass sie einen Tag niemals vergessen wird: „Ich war zu Hause, als ich plötzlich Sirenen aus der Richtung des Schlosses hörte. Mein Mann und ich sind sofort gucken gegangen, und als wir ankamen, sahen wir Fürstenberg brennen. Es war furchtbar.“ Ein Kurzschluss hatte den Brand ausgelöst, den die Feuerwehr aber bald im Griff hatte. Doch für die Porzellanmalerin war es ein einschneidendes Erlebnis. Die Zeit ihrer Rente will sie sich jetzt noch gar nicht ausmalen. Aber wenn, dann hat sie ganz sicher mit Malen zu tun. Und damit, im Schloss vielleicht doch ab und zu noch einmal einzuspringen.

Der Diener dreier Herren (und der Tiere):
Peter Roefs, Hausmeister auf Schloss Pyrmont

Wenn Peter Roefs von seiner Arbeit auf Schloss Pyrmont erzählt, kommen unweigerlich Tiere vor. Dabei gehören sie eigentlich nicht wirklich zu seinem Job, dann aber wieder doch. Als Hausmeister und Veranstaltungstechniker des Schlosses ist er nämlich für die Vorbereitung von Konzerten, Lehrgängen, Vorträgen und Trauungen zuständig, für die Beleuchtung, den Teppichboden, das Mauerwerk, den Wasserstand im Wassergraben – kurzum für alles, was in einem über 300 Jahre alten Schloss so anfällt. Und er tut dies für die drei, die sich das Schloss heute „teilen“: die Volkshochschule, die Stadt und das Staatsbad Pyrmont.

Doch der 62-Jährige aus Amsterdam ist auch für all dies im Außenbereich des Schlosses zuständig, und da kommen die Tiere ins Spiel. Er rettet Entenjungen im Wassergraben vor den Schwänen, die ihre eigenen Jungen vor der Konkurrenz beschützen wollen. Er hilft mit, wenn sich ein Reh im Schlosspark verirrt hat und nicht mehr hinaus findet. Er ist da, wenn ein Hundebesitzer seinem Hund in die Schlossgracht hinterherspringt, und nun selbst nicht mehr herauskommt (während der Hund bereits am Ufer wartet). Er hängt Kästen für die Fledermäuse auf und freut sich jedes Jahr wieder auf die Ankunft der Schwalben. Denn ein Schloss kann man eben nie von seiner Umgebung und der Natur trennen.

Roefs, den man „Rufs“ ausspricht, ist seine holländische Herkunft noch anzuhören. Doch nach mehr als zehn Jahren im Schloss Pyrmont kann er sich keinen besseren Ort zum Leben und Arbeiten vorstellen. „Ich bin früher viel umhergezogen, das Reisen lag mir, und ich habe schon in einigen Berufen gearbeitet“, erzählt er. Doch dann wurde im Schloss Pyrmont die Hausmeisterstelle frei, und es war ein glücklicher Tag, als er die Stelle bekam. Denn sie war ihm auf den Leib geschneidert. Auch wenn er hier an ein und demselben Ort ist, ist die Arbeit so vielfältig, dass er seine Liebe zur Welt, zum Leben und zu den Menschen noch immer ausleben kann. „Dieser Job“, wendet er ein, „ist sicher nicht für jeden was. Ich muss immer für alles offen sein und sofort reagieren können. Man muss auch Ideen haben, um aus jeder Situation das Beste zu machen. Aber ich liebe es, den Menschen dieses Schloss zu zeigen und ihnen Auskunft zu geben.“ Denn auch das gehört zu seinem Job dazu.

Und er hat bei den vielen Veranstaltungen jede Menge Gelegenheit dazu. Nicht nur bei den Tieren kommt er ins Schwärmen. „Es ist einzigartig, in einem so alten und schönen Gemäuer seine Arbeit auszuüben. Und es ist das Tollste, wenn die Leute das auch annehmen und sagen: War schön hier! Dann weiß man, dass man einen guten Job gemacht hat.“

Der Mann für alle Lebenslagen:
Yankuba Keita, Concierge im Schlosshotel Münchhausen

Er ist der erste, den die Gäste des Schlosshotels Münchhausen sehen, und er ist der letzte, der sie verabschiedet. Und wenn sie einen Wunsch haben, ist er derjenige, der ihn erfüllt. „Meine Arbeit fängt schon an, bevor die Gäste überhaupt ankommen“, sagt Yankuba Keita, denn er bereitet ihre Zimmer für ihre Ankunft vor: ein Willkommensbrief, ein süßer oder gesunder Gruß des Hauses, passende Getränke, und natürlich muss alles perfekt aussehen.

Wenn die Gäste ankommen, begleitet er sie von der Rezeption zu ihrem Zimmer. „Es ist ja ein Schloss“, erklärt der Concierge. „Deshalb ist hier alles ein bisschen verwinkelt, und manche Gäste finden sich nicht sofort zurecht.“ Er zeigt ihnen, wo der Frühstücksraum ist, die Sauna, und wie sie von der Zehntscheune bei Regen trockenen Hauptes zum Hotel kommen können.

Keita hat viele Jahre als Animateur gearbeitet, und auch wenn die Arbeit als Concierge eine andere ist, kann er seine ganze Erfahrung im Umgang mit sehr unterschiedlichen Menschen hier einsetzen. Der Mann aus Gambia ist im Schloss zu Hause und schnuppert dennoch immer wieder den Duft der großen weiten Welt, denn seine Gäste kommen aus allen Teilen des Erdballs. Wenn sie ihm dann ihren Autoschlüssel in die Hand drücken, damit er das gute Stück sicher für sie parken kann, wünscht sich Keita schon mal heimlich, ein paar Runden damit drehen zu können. Doch auch so findet der 49-Jährige seine Erfüllung in diesem Beruf. Und im Schloss zu arbeiten, ist etwas ganz Besonderes für ihn: „Was die damals alles geleistet haben, ist schon toll. Und ich habe hier immer das Gefühl, Teil der über 400-jährigen Geschichte des Schlosses zu sein.“ Erst recht, wenn er den interessierten Gästen etwas über das Schloss erzählt und darüber, wie es früher einmal ausgesehen hat.

Doch vielleicht macht auch die ständig präsente Verbindung zur Moderne den besonderen Reiz für ihn aus. Denn genauso begeistert erzählt er von romantischen Heiratsanträgen, die er für seine Gäste vorbereitet, ob per Hubschrauber oder mit einem Picknick ganz versteckt im Park mit Champagner und Blumen. Er könnte auch noch viel mehr erzählen von den sehr speziellen Wünschen und Bitten seiner Gäste, doch ein Concierge kann genauso gut schweigen wie uralte Schlossmauern.

Liebt alte Tugenden:
Alexander Perl, Schlossverwalter auf Schloss Bückeburg

„Es ist unsere Aufgabe, den Menschen das Sehen wieder beizubringen“, sagt der Schlossverwalter des Schlosses Bückeburg. Dinge genau zu betrachten, dabei Zusammenhänge zu erkennen und aus dieser Erkenntnis heraus zu handeln, lernte Alexander Perl selbst schon sehr früh. Als Kind sah er in einem Gartenbuch von 1896 einen Mann mit einem Kneifer eine Rose veredeln und dachte: „Das will ich auch machen.“ Und so wurde er Gärtner.

Als er 1983 einmal das Schloss Bückeburg besichtigte, hingen dort große Luftaufnahmen vom Gelände, und Perl sagte: „Hier möchte ich arbeiten!“ Die Dame an der Kasse hörte das und fragte ihn, was er denn von Beruf sei. „Ich sagte ihr, ich sei Gärtner, und sie meinte, dann sollte ich mich mal schnell bewerben, denn der bisherige Gärtner war gerade gestorben.“ Und so wurde er Gärtner auf Schloss Bückeburg.

Bis 2001 war er für die Pflege des Schlossgartens zuständig, dann ging der Schlossverwalter in den Ruhestand. Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe, sein Arbeitgeber, sagte daraufhin zu Perl: „Wissen Sie schon, wer sein Nachfolger wird?“ Und Perl ahnte: es kamen neue Aufgaben auf ihn zu. Dabei ist er kein Büromensch, sondern ständig im Schloss unterwegs. „Und wenn es Frühling wird, ist mein Bürofenster immer auf. Schließlich arbeite ich an einem der schönsten Arbeitsplätze der Welt.“

Als Schlossverwalter muss er auch viel unterwegs sein, denn er ist für so vieles zuständig: die jährlichen Veranstaltungen Landpartie und Weihnachtszauber fressen einen Großteil der Arbeitszeit, das Auffinden historischer Baumaterialien für Sanierungen, die Restaurierung von Bildern oder Waffen, die Digitalisierung der umfangreichen Inventarverzeichnisse, die Pflege der Räume in Zusammenarbeit mit der Bauabteilung, die Überwachung des Raumklimas, das Wiederauffinden von in der Nachkriegszeit gestohlenen Kunstwerken, die Durchführung von Ausstellungen, die Repräsentanz des Schlosses auf Messen, die Neugestaltung von Teilen des Schlossparks, die Erstellung eines Baumkatasters – die Liste nimmt kaum ein Ende. Dazu kommen die Wünsche der Eigentümerfamilie zu Schaumburg-Lippe, seien es kleine Veranstaltungen oder auch das Umgestalten von Privaträumen. Besondere Freude bereiten ihm die Bienenvölker im Schlosspark, deren Honig im Schlossshop erhältlich ist.

Und obwohl ihn die Verwaltungstätigkeit so sehr in Anspruch nimmt, hat er manchmal noch Zeit für das große Ganze. „Hier immer wieder mit 500 Jahre alten Dingen zu tun zu haben, mit verloren gegangenen Handwerkskünsten, mit dem Mut vieler Menschen, die die Kostbarkeiten des Schlosses vor Besatzern gerettet haben – all das macht mich ehrfürchtig“, sagt er und wünscht sich, dass die Menschen von heute ähnliches spüren, wenn sie sich zurückversetzt fühlen in die alten Zeiten. „Gerade habe ich versucht, einem kleinen Jungen zu erklären, wie viel 900 Jahre sind, dass es vieles damals nicht gab, was für ihn heute selbstverständlich ist“, sagt er. Ihm macht so etwas Freude, und dennoch bedauert er, wie schwierig es für Menschen geworden ist, sich zu konzentrieren und sich einzulassen auf eine solche Reise in die Vergangenheit.

„Wir haben es heute so gut“, sagt er. „Es wäre so wichtig, dass das unsere Besucher erkennen könnten und um wie viel primitiver unsere Welt heute eigentlich geworden ist.“ Und so ist Perl mehr als nur ein Verwalter am Schreibtisch – er ist Verwalter eines Erbes, dessen Aufgabe es ist, nicht nur die Lehren aus den alten Zeiten, sondern auch die Geschichten und Künste ins Heute und Morgen zu tragen.

Arbeiten auf dem Schloss als Traumziel?

Schaut man sich diese unterschiedlichen Berufe an, stellt man fest, dass sich das Arbeiten auf dem Schloss in den letzten Jahrhunderten gar nicht so sehr verändert hat. Sicher, die Industrialisierung und die Digitalisierung haben vieles erleichtert und Wege verkürzt. Doch so viel anderes ist gleich geblieben: die Berufsbilder haben sich kaum verändert, da ihr Ziel immer noch ist, die Schlösser zu erhalten und sie für Menschen zugänglich und erlebbar zu machen. Die Mitarbeiter auf den Sieben Schlössern spüren auch heute eine ganz besondere Verbundenheit mit und Treue zu ihren Arbeitgebern und den alten Gemäuern. Ihr Einsatz geht oft weit über das hinaus, was von ihnen erwartet wird. Und bei ihnen allen schwingt ein großer Stolz in der Stimme mit, wenn sie über ihre Arbeit und ihr Schloss sprechen. Nicht zuletzt tragen sie damals wie heute dazu bei, Menschen aus aller Welt zusammenzubringen und ihnen die Ereignisse der Geschichte und die großen Schönheiten unserer Kultur und der Sieben Schlösser nahezubringen. Ein Traumberuf, auf einem Schloss zu arbeiten? Für diese Menschen ist es das.

Die Interviews führte Birte Vogel. Die Journalistin ist u. a. Autorin des Porträtbandes „Hannover persönlich“ (2011).

  • Weitere Informationen zu den Sieben Schlössern im Leine-und Weserbergland und Hameln sowie zu Veranstaltungen und Ausstellungen finden Sie hier
  • Fotos von den Sieben Schlössern finden Sie hier

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